Sächsische Seidenblumen
Diesen wundervollen Artikel aus dem Jahr 1907 von M. von Brück haben wir antiquarisch erjagt und können Ihnen die schöne Beschreibung unserer Boutonnière-Herkunftsstätte einfach nicht vorenthalten. Hinweis: Die originale Rechtschreibung der Kaiserzeit haben wir beibehalten. (Original-Artikel von 1907 als PDF)
In Sebnitz werden damals wie heute unsere schönen Seidenblumen von Hand gefertigt. Der malerische Ort liegt in der Sächsischen Schweiz nahe der böhmischen Grenze.
"Es ist noch nicht so lange her, daß unsere Weltdamen unbedingt Pariser Fabrikate dieser Art tragen mußten. Ja, heute noch werden in gar manchen „Salons“ die Preise der schönsten und getreuesten Nachahmungen der Kinder Floras mit der Beteuerung, daß es „Pariser Blumen“ seien, annehmbarer gemacht."
La belle Otero in einem üppig mit sog. "Pariser Ballblumen" verzierten Kleid. Diese kunstvollen Blüten ermöglichten es, dasselbe Kleid stets anders dekoriert immer wieder neu zu präsentieren. Nachhaltigkeit anno 1900 und nicht selten "Made in Germany".
"Gewiß, viele dieser Geschäfte beziehen wirklich viele ihrer feinsten Blumen aus Frankreich. Aber wenn auch dort jedes deutsche Erzeugnis mit dem „made in Germany“ etikettiert sein müßte, es würden nicht sehr viele dieser wundervollen, wie von Feenhänden geschaffenen Blumen ohne eine solche Bezeichnung in den Handel kommen dürfen."
Das schön gelegene sächsische Sebnitz im Jahr 1911 auf einer zeitgenössischen Ansichtskarte.
Das sächsische Blumendorf
"Denn die schönsten, die naturgetreuesten Pariser Ballblumen kommen aus dem gewerbreichen Sachsen, wo ganze Dörfer, übrigens stattliche Ansiedlungen, die kaum den Namen Dorf verdienen, sich fast ausschließlich mit der Blumenfabrikation befassen. Die verhältnismäßig hohen Preise schöner künstlicher Blumen sind übrigens nicht ungerechtfertigt, denn bei ihrer Anfertigung muß die Menschenhand das meiste, ja fast alles leisten."
Früher wie heute sorgen geschickte Hände für die Herstellung anspruchsvoller Kunstblumen aus Seide.
"Und es müssen geschickte Hände sein, die von fast künstlerischem Empfinden geführt werden, wenn man ihren Erzeugnissen jenes höchste Lob zusprechen darf, das der künstlichen Blume überhaupt zuteil werden kann: Sie sehen aus wie frisch gepflückt vom Stock."
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bestanden in Sebnitz mehr als 200 größere und kleinere Firmen dieser Branche. Sie beschäftigten in Konjunkturzeiten bis zu 15.000 Menschen, davon waren etwa 90 % Heimarbeiter.
"In vielen Familien erbt sich diese Kunstfertigkeit durch Generationen fort, und naturgemäß sind es meist Frauen, die die feinsten und natürlichsten künstlichen Blumen herstellen. Solche Generationen von Blumenmacherinnen beherbergt das schöne und große Dorf Sebnitz in Sachsen, wo sich überhaupt fast alles um die Blumenfabrikation dreht."
In Sachsen gefertigte Seidenblumen finden auch heute noch Ihren Weg in die Welt. Hier: Meneer Bom in Delft mit unserer Boutonnière Waldsauerklee am Revers. Internationale Bestellungen erreichen uns heute vornehmlich aus Österreich, Großbritannien, Schweden, Frankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz.
Handarbeit in der Blumenfabrikation
"Die gewöhnlichen Sorten werden freilich durch Massenherstellung erzeugt, aber auch hier ist die Handarbeit nicht zu entbehren, sie geht indessen mehr mechanisch vor sich. Die für die Blumenfabrikation in Frage kommenden Stoffe sind ein besonders dafür gewebter Batist und ein lose geschlagener Baumwollstoff, für die feineren Arten leichte Seide und sehr zarter Samt. Für gewöhnliche Blumen werden diese Stoffe im Stück gefärbt."
Teils werden die Seidenstoffe für unsere Boutonnières im Ganzen gefärbt; zumeist aber einzeln in künstlerischer Handarbeit mit nach alten Rezepten eigens hergestellten Farben.
"Die in einer Farbe hergestellten rosa Rosen, die himmelblauen Vergißmeinnicht, die in diesem Jahre so beliebten Blumen für die bunten Feldblumenkränze, die so viel getragen werden, daß Eigelb für die Dotterblumen, das Feuerrot für den Klatschmohn, sie alle kommen in vielen Hunderten von Metern in die Stanzerei, wo sie durch Maschinen oder Handbetrieb die Blätterform erhalten."
Ein Blick in die Stanzerei anno Dazumal - heute werden zumeist nicht minder historische, aber doch kleinere Stanzen am Tisch verwendet.
"Von da aus gelangen die ausgestanzten Blätter in die Hände der Mädchen und Frauen und werden um die Kelche befestigt, die wiederum von anderen Händen fertiggestellt sind. Dann kommen sie, zu großen Büscheln vereinigt, in die Versandkasten und treten ihre Reisen an, die sie in alle Welt führen."
Keineswegs ein Accessoire der Vergangenheit. Hier im Bild nochmal Joost Bom mit unserer sächsischen Boutonnière in Delft. Es ist die rote Rose.
Kunstblumen aus Künstlerhand
"Bedeutend komplizierter gestaltet sich die Herstellung von feineren Blumen. Die Vorbedingung dazu ist das tadellose Modell, und diese Modelle werden von besonderen, man kann wohl sagen Künstlern und Künstlerinnen, nach ausgesucht schönen, natürlichen Exemplaren hergestellt. Da wird sorglich jede Blattform abgenommen, jede Nuance ausprobiert. Vom zartesten gelblichen Rosa der vornehmsten unserer Rosen an bis zum schwarzroten, samtigen Schmelz der Purpurrose."
Seidene Rosen, die exklusiv für uns als Boutonnière für das Revers des Herrn in Sachsen gefertigt werden. Diese Modelle sind handgefärbt und wahre Klassiker der Herrenmode.
"Daneben liegt diesen Modellfertigern die Aufgabe ob, alle die merkwürdigen Farbenschattierungen auszuprobieren, mit denen die Mode die Natur übertrumpft. Lilafarbene, bläulichrote, herbstlaubbraune und grüne Rosen sind in diesem Jahre sehr beliebt. Den ganzen Winter über haben fleißige Hände gearbeitet, um all diese Schattierungen hervorzubringen. Neben den verschiedenen Tönen, die auf größeren Stücken mit dem Pinsel hervorgebracht werden. So werden auch die einzeln bereits in der Form ausgestanzten Blätter für diese feinsten Blumen gefärbt. Immer wieder vergleicht der Modelleur und die Modelleurin mit der Natur oder mit den vorgeschriebenen künstlichen Farbentönen, bis das Richtige gefunden ist."
Bis heute unverändert: hier wird gefärbt, "geblümelt" und "gekröst" - und zu unserer ganz besonderen Freude nach langen Jahren der Ungewissheit auch wieder im Betrieb ausgebildet.
"Dann wird jedes Blatt auf seine besondere Weise „gekröst“, d.h. mit Pinzetten in die richtige Form gebracht. Die letzte Arbeit bildet dann das Binden und Herstellen der Form, das Aufziehen des Gummistiels [heute ist das mit feinem Seidenfaden umwickelter Draht] und das geschmackvolle Zusammenbinden mit dem wiederum in anderen Fabriken hergestellten prächtigen, naturgetreuen Laub."
Laub und Blattwerk kommen bei unseren Seiden-Boutonnières selten zum Einsatz; zeigen aber aufs Allerbeste Kunstfertigkeit und Anspruch der Herstellung. Im Bild: unsere aufwändig gearbeitete Knopflochblume "Bachnelkenwurz".
"Sind so die Modelle fertiggestellt, so wandern sie in die verschiedenen Werkstätten, nachdem die Formmodelle der einzelnen Blätter den Stanzereien übergeben worden sind. Die aus den Rohstoffen oder dem entsprechend gefärbten Material ausgestanzten Blätter kommen dann in jene Werkstätten, wo sie einzeln gefärbt werden, und zuletzt zu den Zusammenfügerinnen und Binderinnen."
Hier werden die zuvor ausgestanzten seidene Blüten und Blätter in Form gepresst. Weitere Hilfsmittel: Hitze, Gelatine und Stärke - je nach Blüte verschieden.
Sträuße, Brautkränze - und Boutonnières
"Bis ein solcher Strauß Blumen die höchste Vollendung erreicht hat, geht er also wohl durch ein Dutzend Hände, die sich alle in mühsamer Arbeit mit ihm beschäftigen. Eine ganz besondere Spezialität üben die Brautkranzbinderinnen, die ebenfalls sehr von der Mode abhängig sind. Der schlichte, diademförmige Myrtenbrautkranz findet vor ihren Augen keine Gnade mehr."
Hier ein Blick in die historischen Räume unseres Herstellers mit alten Musterbüchern und historischen Vorlagen. Diese inspirieren uns zu neuen Boutonnières.
"Die modernsten Brautkränze bestehen aus einem runden, mit ganz wenig grün bedeckten Reifen, der an jeder Seite zwei runde, ziemlich fest gebundene Tuffen aufweist, Rautendeleinarrangement, daß sich wohl länger in Gunst erhalten wird als das Rautendelein selbst. Für ganz vornehme Brautkränze werden übrigens fast ausschließlich die kleinen, weißen Blätter der Myrte angefertigt, da man diese aus natürlichem Grün zu binden liebt, dem die künstlichen Blumen beigebunden werden müssen, weil die natürliche Myrtenblüte sofort nach dem Abschneiden verwelkt und sich bräunt und somit zum Schmuck des Myrtenkranzes nicht recht geeignet ist."
Ballblumen waren und sind keineswegs den Damen vorbehalten. Hier im Bild Joost Bom in charmanter Begleitung mit Frack und weißer Edelweiß-Boutonnière.
In Vergessenheit geraten: Ballblumen
"Andere Binderinnen beschäftigen sich wiederum ausschließlich mit dem Arrangement der Ballblumen. Dieser Zweig der Industrie hatte leider in den letzten Jahren eine starke Vernachlässigung erfahren, da die künstlichen Blumen in großen Ranken zum Ballkleide nicht mehr so modern waren, wie sie es lange Jahre hindurch gewesen sind. Erst jüngst haben die Blumenbinderinnen durch die runden Empire- oder Biedermeierkränze, die man den Kleider aufzugarnieren beliebt, wieder stärkere Beschäftigung gehabt. Indes, das ficht die fleißigen Blumenbinder und Blumenbinderinnen wenig an."
Der Versand erfolgt auch heute noch in alle Welt - zugegeben: Unsere Schachteln sind viel kleiner und die geneigte Kundschaft etwas spärlicher, aber wir haben an jeder einzelnen Seidenblume unsere Freude.
"Irgendeine Verwendung für die künstlichen Blumen gibt es immer: die lieblichen Kinder Floras werden zum Schmuck der Frau niemals entbehrlich werden. Die Vorliebe für sehr feine Blumen, bei denen naturgemäß der Verdienst ein größerer ist, steigt von Tag zu Tag, und während noch vor einem Dezennium die billigeren Hüte mit verhältnismäßig recht unschönen und billigen Blumen ausgeputzt waren, weiß heutzutage sogar schon die Dorfschöne recht gut das feinere Fabrikat von dem minderwertigen zu unterscheiden und zu würdigen."
Autoren: M. von Brück, Andreas Thenhaus
Fotos: L.-E. Reutlinger (Wikimedia), Kunstverlag Brück & Sohn (Wikimedia), dto., Deutsche Kunstblume Sebnitz, Isabel Doil, Achim Meurer, René Gaens, Joost Bom, Lars Koel
Der Artikel von 1907 mit den Original-Illustrationen (PDF-Download)